Nikolai Vogel: Kunstedition Regina

Rede zur Verkaufsaktion "Kunstedition Regina" am 11. Oktober 2008 im "HALDI"-Supermarkt, Färberei, München
 

Nikolai Vogel - Speeches, Reden: Kunstedition Regina
 

KUNST-EDITION REGINA

Kunst-Edition Regina: Liebe Leute. Die Kartoffel kommt kalt und warm auf den Tisch. Die Kartoffel korkt nicht Die Kartoffel kocht kinderfreundlich. Die Kartoffel kann kein Kartenspiel. Die Kartoffel kalauert. Die Kartoffel kann alles! Die Kartoffel ist Kunst! Kunst-Edition Regina! - Wir haben hier auf verschiedenen Papieren verschiedener Größe Kunstwerke, die, so verschieden sie sind, doch einige Gemeinsamkeiten aufweisen: Sie alle werden heute das erste Mal öffentlich präsentiert. Sie alle haben eine - meist nummerierte - Auflage von dreißig Stück und sind von der Künstlerin oder dem Künstler, signiert - und sie alle entstanden unter dem Eindruck einer Kartoffel. Also einer Kartoffel im Sinne von der Kartoffel, denn sicher werden der ein oder die andere für ihre Blätter mehrere Kartoffeln herangezogen haben, die Kartoffel ist heute ja kein Luxusgut mehr, da kann man sich schon mal ein paar Stück erlauben. Wir präsentieren heute und hier also das allererste Mal in Welterst- und -ursichtung die Kunst-Edition Regina. // TÄTÄRÄTÄ: Der Umschlag in Regina-Typo! // Regina besteht aus einem Umschlag und zwölf, dreizehn oder vierzehn Blättern - das kommt noch auf. Jeweils dreißig Stück. Aber jeder beteiligte Künstler hat eine komplette Edition, viele gibt es also nicht zu verkaufen - zögern Sie nicht! Ein Blatt nur 4,99, beim Kauf der kompletten Edition gibt es denn Umschlag und die Rede dazu. Regina ist vielseitig. Regina ist bunt. Und die runde Regina kann auch mal eckig! // TÄTÄRÄTÄ: Heike Döscher: Lichtechtes Magenta auf Algenpapier! Kartoffelkonzept! // Wir hätten auch Mais nehmen können, aber wir haben Kartoffeln genommen. Das, was in einer Kartoffel so drin ist, was herausgeholt werden kann. Eindrückliches, jeweils dreißigmal sanft auf Papier gedruckt, an dem sich die geteilte Kartoffel festsaugt, als liebkose sie es. Die gehälftete Kartoffel mit Farbe bestrichen, die sie nur zum Teil wieder hergibt. Die feuchte Kartoffel, die so gut in der Hand liegt. Die ein Werkzeug ist und ein Abendessen. Grundnahrungsmittel und Stempel. Bodenschatz und Druckplatte. Überall zu Hause. // TÄTÄRÄTÄ: Thomas Glatz: Ein kleines Herbarium, mit Sorgfalt beschriftet. // Gelb, lang, festkochend: Regina. Regina rockt! Regina ist eine Schönheit! Eine Verwandlungskünstlerin. Ein Chamäleon. Regina tanzt. Sie zeigt Emotionen. Regina ist Minimalist und barock. Regina ist Bauhaus und Readymade. Regina ist Impressionist und Realist. Regina reibt sich an der Welt, Regina ist eigen, Regina ist wild, Regina ist Dada. // TÄTÄRÄTÄ: Heribert Heindl: Dies ist keine Pfeife! // Nicht nur Regina kam zum Einsatz. Wir sind keine Anhänger einer rassistischen Ideologie. Nicola, Sieglinde, Quarta oder die blauen Sorten aus Frankreich. Regina und ihre Genossen sind schon lange international. Sie kamen herum, fuhren über Meere, und die Erde ist für sie ganz verschiedenartiger Boden. // TÄTÄRÄTÄ: Paul Huf: Die Blätter sind noch in den Händen der Rumänischen oder Deutschen Post. Wenn die sie nicht verschwinden lassen, werden sie nachgereicht. Ein Schwarzdruck? // Die Kartoffel war in Europa, nachdem sie Seefahrer mitgebracht hatten, zunächst vorwiegend wegen ihrer schönen Blüte beliebt. Leider erwies sie sich nicht nur als ungenießbar, sondern als giftig. Bei der Kartoffel muss man eben tiefer graben, um zum Wertvollen zu stoßen. // TÄTÄRÄTÄ: Marcus Lichtmannegger: Bang Bang! // Die Kartoffel musste mit zahlreichen Vorurteilen kämpfen, bis sie hierzulande als Nahrungsquelle geachtet war. Sogar die Verwendung als Schimpfwort muss sie sich gefallen lassen. Du hast wohl Kartoffeln auf den Augen! Mittlerweile aber kennt jedes Kind die wohlschmeckende Kartoffel und die Frauen legen sie sich wirklich auf die Augen - in Scheiben oder als Brei, weil der abschwellend wirkt. Nicht nur Frauen, auch verschwitzte Schweißer, die zu tief in die Flamme geblickt haben. // TÄTÄRÄTÄ: Carola Mann: Eine Kartoffellandschaft? Eine Frau? Lichter? Großes Kartoffelmärchen. // Kartoffeln darf man nicht am Montag legen, da werden sie madig und wenn sich beim Pflanzen der Kartoffeln große Wolken am Himmel zeigen, so werden auch die Kartoffeln sehr groß. Beim Kartoffelstecken legt man ein rotes Band hin, damit die Kartoffeln Freude haben und mehlig werden. Beim Kartoffelstecken spricht man: Wir setzen drei Kartoffeln den Menschen zum Brot, den Mäusen zum bittern Tod, heißt es im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Band 4, Hieb- u. Stichfest - Knistern. Und Träume von Kartoffeln deuten auf eine Wohnungsveränderung. // TÄTÄRÄTÄ: Silke Markefka: Die halbierte Kartoffel als Lichtträger, ein Nachglimmen. aus der Serie Lüster. // Die Kartoffel ist der Feind der Warzen. Warzen werden mit einer gestohlenen Kartoffel gedrückt und diese einer Leiche mitgegeben. Aber bitte stehlen Sie hier nichts! Es liegen hier ja auch keine Leichen, wir haben höchstens die sprichwörtlichen Leichen aus dem Keller geholt. Und Achtung: Übermut tut selten gut: Wer viel Kartoffeln isst, wird dumm! Deshalb haben wir sie ja auch zum Drucken genommen. Ganz ohne Warzen. // TÄTÄRÄTÄ: Vincent Mitzev: Die Kartoffel träumt sich als lachender Luftballon - mit Kürbisgesicht. Kartoffel spricht Fremdsprache! // Aber im Ernst: Kartoffeln sind super. Und vielseitig wie die Kunst! Bratkartoffeln, Kartoffelchips, Kartoffelklöße, Kartoffelpuffer, Kartoffelpüree, Kartoffelsalat, Kartoffelsuppe, Kroketten, Pommes frites, Salzkartoffeln, Schweizer Rösti, Kartoffeln mit Butter und Käse. Die Kartoffel macht satt aber man überisst sich nicht. // TÄTÄRÄTÄ: Sybille Rath: Sie gibt jedem Blatt die Nummer eins! Eins von eins, eins von zwei, eins von drei, bis eins von dreißig! Jeder darf mal Erster sein! Und wir mögen uns alle. Assoziationsbringer! // Über fünftausendfünfhundert Sorten gibt es und es werden mehr! Von der A1 (Ursprungsland Deutschland, Reifezeit spät, Fleischfarbe hellgelb, Augenlage flach, Form der Kartoffel oval, Schalenfarbe hellgelb, Stärkegehalt hoch) bis zur Zwiebler (Reifezeit spät, Fleischfarbe weiß, Augenlage mittel, Form der Kartoffel rundoval, Schalenfarbe gelb mit roten Flecken, Knollenschale mittel, Verwendungszweck Speisekartoffel, Kochtyp vorwiegend festkochend, Speisequalität gut, große, gleichmäßige Knollen). // TÄTÄRÄTÄ: Emanuel Seitz: Das Bewusstsein einer Kartoffel ist bunt! In ihrem Inneren geht richtig was ab! // Die Kartoffeln heißen oft wie Frauen, wer einen Namen braucht, sehe mal nach: Adelheid, Adina, Adretta, Agata, Agnes, Alexa, Alma, Andra, Angelika, Anna, Annabell, Annika - oder weiter im Alphabet, Babett, Carola, Dagmar, Edelgard, Fabricia, Gina, Helena, Ida, Janet, Karlena, Lalina, Maja, Nikita, Olympia, Penelope, Quarta, Rachel, Salome, Tamara, Ute, Valissa, Wachtel, Xenia, Yesmina, Zora. Aber es gibt auch den Reichskanzler, den Kardinal, das Bamberger Hörnchen, Obelix, die 40 Jaehrige Passauer, den Panther oder die kryptischer anmutenden 111902160E, 12674AB1CPC2802, 1283M19, 4747 und 856000. Up to date und Universal! Ja, sogar den Amigo und die Geisha! Olalla! // TÄTÄRÄTÄ: Lorenz Straßl: Endlich ein Kartoffelpokal! Erster! // Ob die frühreifen, die mittelfrühreifen oder die mittelfrüh-späten Kartoffelsorten, ob die festkochenden, die vorwiegend festkochenden oder die mehlig kochenden, ob die Veredelungskartoffel, die Wirtschaftskartoffel, die Futter- oder die Pflanzkartoffel. // TÄTÄRÄTÄ: Valio Tchenkov: Die Kartoffel als wilder tanzender Derwisch, kaum zu halten, dauernd anders. // Ob bunte Kartoffeln, rote Kartoffeln, blaue Kartoffeln. Alles ist erlaubt, alles geht! Die rotschalige Cherie, die Odenwälder Blaue, die Rosa Tannenzapfen, die Blaue Suti, die vielnamige Negresse, die hellrote Sputnik, die Schwarze Ungarin, die Schwarzblaue aus dem Frankenwald, die rote Prof. Gerlach, die Ungarische Lange oder die Unbekannte Schwarze. // TÄTÄRÄTÄ: Oliver Westerbarkey: Doppelt unsichtbar! Bügeln und unter UV-Licht halten! Aber ein nicht zu lösendes Problem für Sammler. Gehört dieser Kartoffelabdruck druckfrisch oder gebügelt in den Tresor? // Sie ist ein anarchisches Wesen, ein Einzelgänger, aber auch ein geselliger Charakter. Vincent van Gogh hat Kartoffelernter, Kartoffelkörbe und Kartoffelesser gemalt. Dafür gibt es auch eine Van Gogh-Kartoffel (Reifezeit spät, Knolle oval, Schalenfarbe gelb, Fleischfarbe hellgelb, Augenlage mittel). Andy Warhol hat Tomatensuppendosen aus dem Supermarkt geholt und daraus Bilder gemacht. Dafür gibt es keine Warhol-Kartoffel! Wir drucken Bilder mit Kartoffeln und bringen sie in den Supermarkt zurück. Dafür gibt es Regina! Für Sie! // TÄTÄRÄTÄ: Und eigentlich am Anfang unseres Alphabets: Ein Fragezeichen? Ein Kartoffeldruck als Vielleicht. Vielleicht kommt er. Vielleicht ist er hier. Vielleicht nicht? Die Kartoffel ist manchmal ein scheues Wesen. Oder ein Heimlichtuer. Sie mag es dunkel! // Rental, Renska, Renova, Reneta, Renate, Renata, Reichskanzler - Regina! Die Kunsthungersnot ist vorbei. Wir sind im Internationalen Jahr der Kartoffel. Kaufen sie Regina! Jetzt ist sie günstig. Irgendwann wird sie nicht mehr zu bezahlen sein. Regina, wir stehen auf dich! Regina, oh! Kauft Regina und hütet sie! // TÄTÄRÄTÄ: Und hier noch die Rede. Genehmigt! Vielen Dank.
 

Nikolai Vogel
11. Oktober 2008


Photo © by Eltorn
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