Nikolai Vogel: Begrüßung

Rede zum "Black Ink Fest 2010" am 4. Dezember 2010, Sonoris Causa, München
 

BEGRÜSSUNG

Liebe Gäste, ich freue mich, dass keine Politiker anwesend sind, die wir nicht mögen, ich freue mich also, dass ich keine Politiker, die wir nicht mögen, begrüßen muss, und ich freue mich weiter, dass keine prominenten Persönlichkeiten anwesend sind, die wir nicht mögen, dass ich also keine prominenten Persönlichkeiten begrüßen muss, die wir nicht mögen, ich freue mich aber, dass ihr liebe Gäste anwesend seid, die ich natürlich ganz besonders herzlich begrüßen will, jeden einzelnen von euch, und keinen vor oder nach dem anderen, sondern alle gleichzeitig, seid alle alle zusammen und jeder einzelne ganz herzlich begrüßt, willkommen geheißen und mit Dank dafür versehen, dass ihr eure kostbare Zeit, Lebenszeit immerhin, die Tage sind rar, und schnell vergehen die Jahre, hier heute Abend mit uns verbringt. Ach, aber hören wir nicht alle gerne Ansprachen und Begrüßungsreden - neulich, auf dem Literaturfest München, bei der Eröffnung etwa. Da sprach zuerst der Kulturreferent, dann der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dann der Kurator und dann der Gastredner - eins, zwei, drei, vier - das werden wir heute Abend toppen, meine Damen und Herren, liebe Gäste, vier Reden, das ist ja gar nichts, und weil man Bücher ja selber lesen kann, haben wir uns gedacht, keine Lesungen dieses Jahr, nein, nein, da kaufen Sie unsere Bücher ja vielleicht nicht mehr, weil Sie es dann ja schon gehört haben, oder gar, weil Sie dann schon wissen, dass es Ihnen nicht gefällt, keine Lesungen also, das müssen Sie schon selber machen, ich denke mal, Sie können's!, sondern Reden, Begrüßungsreden, Festreden, Ansprachen, mal besinnlich, mal wütend, ganz flüssig oder hie und da stockend vorgetragen, mit bedeutungsschwangeren oder peinlichen Pausen, Versprechen oder Versprechern, feststehenden Redewendungen, Anekdoten und gelehrigen Zitaten, aber sicherlich auch mit dem ein oder anderen Witz, hie und da darf man schmunzeln, oder es darf auch mal eine Träne verdrückt werden, im Gedenken an so vieles, was war, schwülstig, verspielt oder staubtrocken, ganz im Ernst oder mit Ironie, Reden, die lange im Gedächtnis bleiben oder schon über der nächsten Halben halb vergessen sind, aber wie viele Bücher haben wir nicht schon gelesen, von denen nur mehr ein Gefühl übrig ist, keine Ahnung wie die Gestalten darin hießen und worum ging es denn eigentlich wieder? Keine Lesungen also, aber die neuen Bücher unserer Verlags will ich trotzdem erwähnen, ganz frisch Cramers "Vom Ei bis zu den Äpfeln hin. Eine kleine Geschichte der Welt in zehn Fitten." Was Fitten sind? Ein Stadtteil von Merzig. Oder ein Begriff aus der Mathematik, siehe Ausgleichungsrechnung. Also mit der Einzahl suchen: "Fitte" ... da landet man im großen, allgegenwärtigen Weblexikon bei "Witte": Eine Witte war zur Zeit der Hanse eine Niederlassung einer Hansestadt im Ausland zur Verarbeitung von Fisch. Unser großer Epiker Cramer meint alles drei sicherlich nicht, er hat es eher mit Gesängen, Aventüren und wie kann man die noch nennen. "Fitten" eben und schon wieder hat er etwas für unsere Bildung getan, und das lässig mit laissez faire wie gewohnt. Vom Ei bis zu den Äpfeln hin. Nacht senkt sich auf und hernieder. / Bald schon strecken wir die Glieder / auf das harte Lager hin ... gleichzeitig auf CD erschienen, mit Kompositionen von Martin Wiesböck. Ein Dialog. Und der zweite Miniroman von Thomas Glatz, "Parken nur Café Frühtau. Ein Miniroman", in 50 Kapiteln und Zeichnungen. Dies ist keine Lesung, keine Angst, aber das erste Kapitel geht so: "Eine literarische Figur, nennen wir sie der Einfachheit halber wieder Herr N., sitzt in ihrem Sportwagen." Das war's schon, nicht schlimm oder? Das könnte man sich direkt auswendig merken. Und dann damit angeben: Ich kann das erste Kapitel von Thomas Glatz' Roman "Parken nur Café Frühtau" auswendig ... Das wird Eindruck machen. Der Autor hat immerhin erst das Arbeitsstipendien des Freistaats Bayern für Schriftstellerinnen und Schriftsteller für die Arbeit an diesem Buch erhalten. Und weil er die ganze Zeit in Cafés hockt und ja nur Miniromane schreibt, ist er sogar schon fertig, ja mehr, das Buch schon erschienen. Stante pede, würde Cramer vielleicht sagen. Glatz' "Der dicke Koch hat frei und fährt mit dem Rad zum Teich" ist ganz frisch in der dritten Auflage und das Rad, das in der zweiten schon gelb war, ist nun auch alt. Gute Nachrichten. Schöne Dinge! Und seit diesem Jahr macht Black Ink auch eine Kunstreihe, die ersten beiden Bände sind schon da. In schwarzem Leinen Silke Markefkas Katalog "Licht, Lüster" - 77 Bilder unter anderem aus ihren Serien Lüster, Von Vorhängen und Archiv, mit einem Text von Uli Aigner und der Erstveröffentlichung eines Gedichts von Friedericke Mayröcker. Der Titel des Gedichts ist fast schwerer zu merken, als Glatz' erstes Kapitel vom zweiten Miniroman: "schreib ich den Namen mein mit Waldgesängen mit Umarmung" Und dann die neuen Nothelfer von Jürgen Bulla und Christoph Hessel. 14 farbige Druckgrafiken mit 14 Texten auf der Suche nach Nothelfern, die neben Pest und Blasenleiden auch gegen Phänomene wie Pressekonferenzen, Sprechstunden, Feinkost oder Reizüberflutung helfen können. Gegen letzteres, die Reizüberflutung, empfehlen wir schwarze Tinte, 17 Jahre machen wir das nun schon, 17 Jahre Black Ink. Tief in der Tinte immer noch. Und nach den 90er- und den Nuller-Jahren, kommen jetzt also die Zehner. Alles Gute dafür und herzlichen Dank an Sonoris Causa für das schöne Raumlabyrinth, liebe Gäste, liebe Freunde, feiert, feiern wir, und lauschen wir den erbaulichen Reden die da noch kommen. Herzlichen Dank.
 

Nikolai Vogel
am 4. Dezember 2010

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